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Prof. Dr. Claudia Kemfert - Patin für die Kiste WISSEN

Ohne Wissen geht nichts: In der Kiste WISSEN sind allerlei Informationen und Anregungen zu den Themen Klimawandel und Klimaschutz, Projektmanagement, Social Media, Kommunikation und der Planung von Veranstaltungen zusammengestellt.

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Interview

Frau Prof. Dr. Kemfert, warum interessieren Sie sich für Wissenschaft, warum für Energiefragen?

Foto:Schuering

Mich begeistert das Thema schon seit über 20 Jahren. Die Energieversorgung eines Landes ist eine zentrale Aufgabe. Fossile Energieträger werden knapper und teurer und verursachen beim Verbrennen einen irreversiblen und schädlichen Klimawandel. Die Energiewende ist wichtig, sodass wir zukünftig eine sichere und klimaschonende Energieversorgung ermöglichen können. Als Wissenschaftlerin erforsche ich die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge von Energie und Wirtschaft und welche Auswirkungen energiepolitische Änderungen haben.

Die Faktoren für die Klimaentwicklung sind sehr vielfältig und in ihren Zusammenwirkungen multikomplex. Was müsste man aber als Normalbürger unbedingt wissen? Was muss man verstanden haben?

Der Klimawandel ist real, findet statt und wird zu großen Teilen vom Menschen verursacht. Durch das Verbrennen fossiler Energieträger nimmt der Anteil von klimagefährlichen Treibhausgasen immer weiter zu. Der Klimawandel kann eingedämmt werden, wenn dieser Prozess gestoppt wird und eine Energiewende aus erneuerbaren Energien und Energiesparen konsequent auf die Abkehr fossiler Energien setzt.

Frau Kemfert, Sie setzen sich für den Ausbau der Erneuerbaren Energien ein. Dazu gibt es geteilte Meinungen. Welche drei Hauptvorteile bringt der Ausbau der Erneuerbaren Energien?

Erneuerbare Energien stehen anders als begrenzte fossile Energien unbegrenzt zur Verfügung. Man macht sich somit unabhängiger von Import- oder Preisschocks. Zudem verursachen erneuerbare Energien (mit Ausnahme von Biomasse) so gut wie keine Treibhausgase und sind somit klimafreundlich. Und drittens werden erneuerbare Energien immer billiger. Im Gegensatz zu fossilen Energien und Atomenergie, deren Kosten kontinuierlich steigen, werden erneuerbare Energien im Zeitablauf immer billiger, je größer die Nachfrage nach ihnen wird.

Was würde das Energiesystem ohne den Umstieg auf erneuerbare Energien in den nächsten Jahren für Kosten und Risiken verursachen?

Die Preise für fossile Energien nehmen immer weiter zu, auch bewirken Klimaschutzmaßnahmen wie erhöhte CO2 Preise eine Verteuerung. Atomenergie wird immer kostspieliger, da die Risiken insbesondere nach den letzten Zwischenfällen und Unfällen immer weiter zunehmen und die enormen Kosten für die Beseitigung der Folgen mitberücksichtigt werden müssen. Im Gegensatz dazu nehmen die Kosten erneuerbarer Energien stetig weiter ab.

Warum ist der Umstieg auf erneuerbare Energiesysteme der zukunftsicherste Weg?

Weil ein neueres Energiesystem im Vergleich zu dem, das auf fossile Energieträger setzt, risikoärmer ist. Sicherlich ist es eine Herausforderung, die Schwankungen erneuerbarer Energien - der Wind weht nicht immer und auch die Sonne scheint nicht jeden Tag - auszugleichen. Dies ist jedoch technisch und ökonomisch zu lösen. Somit ist dieser Weg der zukunftssicherste. Außerdem kann jeder durch einen gezielten Lebensstil für mehr Klimaschutz sorgen. Das hilft dem Klima und schont sogar den Geldbeutel.

 

Warum ist die Kommune ein wichtiges „Element“ bei der Umgestaltung des heutigen Energiesystems?

Foto:Schuering

Die Energiewende wird „von unten“ umgesetzt, von den Städten und Kommunen. Die Energiewende bedeutet, dass das Energiesystem komplett umgebaut wird: weg von zentralen Großkraftwerksstrukturen hin zu dezentraler Energieversorgung mit Kraft-Wärme-Kopplung, erneuerbaren Energien und intelligenten Netzen. All dies können die Kommunen am besten steuern.

 

Worin unterscheidet sich die energetische Umstellung einer Kleinstadt oder einer Kommune vom energetischen „U-Turn“ einer Großstadt wie z. B. Stuttgart?

Kommunen insbesondere im ländlichen Raum haben oftmals mehr Möglichkeiten für den aktiven Einsatz erneuerbarer Energien, Städte können mehr auf das konsequente Energiesparen setzen und auf eine nachhaltige Mobilität. Manche Großstädte wie zum Beispiel Berlin besitzen ein eigenes Wärmenetz und können so die Potentiale von Kraft-Wärme-Kopplung optimal ausnutzen.

 

In Deutschland gibt es mittlerweile Orte, die sich energetisch vollkommen selbst versorgen können. Ein Beispiel wäre das Bioenergiedorf Jühnde in Niedersachsen. Haben Sie im Sinne der Nachhaltigkeit eine persönliche „Musterkommune“ oder einen zukunftsweisenden Lieblingsort?

Ich kenne unheimlich viele Kommunen, die sich mittlerweile selbst versorgen mit erneuerbaren Energien und sie verkaufen sogar den überschüssigen Strom an Nachbargemeinden. Wildpoldsried in Bayern an der Grenze zu Baden-Württemberg ist mir sehr ans Herz gewachsen, dort hat man vor langer Zeit mit der Energiewende begonnen und ist nun Vorreiter. Aber es gibt auch tolle Kommunen beispielsweise in Nordrhein-Westfahlen im Raum Lippe/Paderborn, die zukunftsweisend die Energiewende umsetzen. In nahezu jedem Bundesland findet man mittlerweile solche Vorzeige-Kommunen.

 

Unsere Teilnehmenden stellen viele Projekte auf die Beine. Sie selbst leiten Forschungsvorhaben, arbeiten an vielen Instituten und mit diversen Partnern zusammen? Gibt es ein Erfolgskonzept für erfolgreiches Projektmanagement?

Sicherlich kein einfaches. Wichtig ist, dass man ein gemeinsames Ziel hat, mutige Akteure auf allen Ebenen wie in Unternehmen, Politik und Gesellschaft. Entscheidend sind Ausdauer und Durchsetzungskraft.

Wie motivieren Sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Projektpartnerinnen und Projektpartner?

Jeder der sich für die Energiewende begeistern kann, ist schon motiviert genug.

 

Welche ist Ihre Lieblingsidee in punkto Energiewende?

Die Energiewende selbst ist das beste Projekt, welches seit Langem auf den Weg gebracht wurde.

Wir danken Frau Dr. Claudia Kemfert für ihr Engagement und das Interview.



Das KlimaTeam

Infos zu Prof. Dr. Claudia Kemfert

Prof. Dr. Claudia Kemfert ist Energieökonomin. Seit April 2004 leitet sie die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und ist Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Hertie School of Governance in Berlin.
Sie ist Wirtschaftsexpertin auf den Gebieten Energieforschung und Klimaschutz. Claudia Kemfert war Beraterin von EU Präsident José Manuel Barroso und ist in Beiräten verschiedener Forschungsinstitutionen sowie Bundes- und Landesministerien tätig.
Im Februar 2013 erschien ihr Buch „Kampf um Strom“, in dem sie die Mythen in der energiepolitischen Debatte beschreibt.
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